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 Schieb' ab nach Buffalo
 
 DER AUF- UND ABSTIEG DER FIRMA MOOG
 
 
 
 Letztes 
              Jahr haben Sie und ich und eine Menge anderer Leute für alle 
              möglichen elektronischen Klangerzeuger weltweit mehr als drei 
              Milliarden Dollar ausgegeben. Ernsthaft. Diese durchaus stattliche 
              Summe liegt ziemlich in der Mitte zwischen den Bruttosozialprodukten 
              von Afghanistan und Bolivien. Das war nicht immer so.
 Synthesizer sind keine kleinen Kinder mehr. Mit 20 Jahren sind sie 
              eher in der Spätpubertät: zu jung, um ganz erwachsen zu 
              sein, zu alt, um das als Entschuldigung zu benutzen und im verdammten 
              Zwang, sich zwischen Uni und einem richtigen Job zu entscheiden.
 
 Wir dachten uns, daß Sie gerne einen näheren Blick auf 
              ihren geliebten Vater werfen wollen, den Typ, der alles in Gang 
              gebracht hat. Hier also, wenn Sie so wollen, einige Babyfotos aus 
              dem Album des Mannes, der auf seinem Weg viele Windeln waschen mußte.
 Bob?
 
 
 
 Bob Moog und Herb Deutsch (1963)
 
 
 Die 
              Geburt des Ganzen
 Als 
              ich mich im Sommer 1963 mit meinem Laden in Trumansburg, New York, 
              niederließ, sah meine Doktorarbeit in Cornell gerade ihrem 
              Ende entgegen. Es gab die vage Absicht, ins Verstärkergeschäft 
              einzusteigen. Ich hatte keine blasse Ahnung von Synthesizern oder 
              elektronischer Musik. Es gab nur mich und eine Handvoll Leute in 
              einem Ladenlokal. Wir entwickelten einen transportablen, batteriegespeisten 
              Instrumentenverstärker - der nie in Produktion ging, weil er 
              viel zu teuer war. Das ist eine der Lektionen, die Sie lernen, wenn 
              Sie in die Konsumentenelektronik einsteigen: Der wichtigste Parameter 
              jedes Produkts ist der Preis. Alles orientiert sich am Preis, wie 
              sich in der Musik alles an der Zeit orientiert.
 Während des Verstärkerprojekts stellte ich im Kundenauftrag 
              Theremin- Instrumente her. Das machte ich schon, seit ich 19 war 
              - nur ein Hobby, aber es brachte ein bißchen Geld ein. Mein 
              New Yorker Repräsentant, Walter Sear, machte gerade Billigfilme. 
              Bevor er Billigfilme machte, machte er Pornos und bevor er Pornos 
              machte, verkaufte er Tubas und meine Theremins. Er lud mich ein, 
              ihm bei einer Theremin- Vorführung für Lehrer der New 
              York State School Music Association zu helfen. Die Vorführung 
              fand im Concord Hotel statt, und dort traf ich Herb Deutsch.
 
 Alles was ich über elektronische Musik wußte, war, daß 
              es wohl an der Columbia Universität ein paar Leute gab, die 
              ein Ding mit dem Namen Columbia-Princeton Electronic Music Center 
              betrieben, und daß sie wohl manchmal Konzerte gaben und daß 
              man vielleicht mehr herausfinden sollte. Herb war Musiklehrer bei 
              Hofstra und machte seine eigenen experimentellen Tonband-Kompositionen. 
              Er lud mich zu einem Konzert in seinem Studio ein, das ein Bildhauer 
              namens Jason Seley gab, der mit zusammengeschweißten Stoßstangen 
              arbeitete. Es waren sehr schöne Skulpturen, die - viel wichtiger 
              - auch noch tolle Percussionsinstrumente abgaben. Das Konzert war 
              sehr aufregend. Die visuelle Idee, eine Skulptur zu spielen, das 
              Zusammenspiel der elektronischen und akustischen Klänge und 
              die ganze Idee der Klangfarbenmusik machten mich total an. Es gab 
              keine Harmonien oder Melodien: nur reine Klangfarbenräume.
 
 Herb und ich blieben in Verbindung. Ich baute mehr oder weniger 
              in meiner Freizeit zwei spannungsgesteuerte Oszillatoren und zwei 
              spannungsgesteuerte Verstärker und eine Art Steuergerät. 
              Damit konnte man die Klänge ein- und ausschalten und die Tonhöhe 
              und die Modulationsgeschwindigkeit kontrollieren. Ich hätte 
              genausogut ein paar Türklingeln nehmen können. Herb schaute 
              mit seiner Familie vorbei, die er immer in einer Hütte im State 
              Park absetzte, während wir drei Wochen durcharbeiteten. Er 
              flippte aus, als er hörte, was meine Pappschachteln konnten. 
              Nach einem weiteren Treffen hatten wir die Grundlagen eines modularen 
              analogen Synthesizers.
 
 Natürlich hatte keiner von uns beiden auch nur eine Ahnung, 
              wohin das führen würde.
 
 Wir gingen nach Kanada zum elektronischen Musikstudio der Universität 
              von Toronto, das seinerzeit von Myron Schaeffer geleitet wurde. 
              Er flippte aus. Er war der erste aus dem Establishment der Elektronikszene, 
              der uns Unterstützung gab. Das sprach sich rum, und im September 
              rief Jaqueline Harvey von der AES, die damals noch sehr klein war, 
              an. Sie sagte: "Wir haben gehört, daß da bei euch... 
              was interessantes... läuft." Worauf ich sagte:" Naja, 
              kann sein." Sie erklärte mir, daß sie eine Ausstellungsfläche 
              auf der kommenden AES Show zu vergeben hätten, weil CBS die 
              Fläche gemietet hatten und danach entschieden, sie doch nicht 
              zu benutzen. Nun, ich wußte nichts über die AES. Ich 
              wußte nichts über New Yorker Messen. Ich wußte 
              nichts über die Audio-Industrie. Ich wußte nichts über 
              Ordern, Verkaufen und Aufträge schreiben. Ich machte das ja 
              nur als Hobby. Also ging ich hin und setzte meine paar handgemachten 
              Module auf einen Tisch. Auf einer Seite waren Ampex mit ihren gewaltigen 
              Bandmaschinen und auf der anderen Seite waren 3M und gegenüber 
              war Scully... Ich war wirklich ein David unter Goliaths und fühlte 
              mich deutlich fehl am Platz. Aber Jimmy Seawright, ein Techniker 
              am Columbia-Princeton Electronic Music Center, kam, schaute sich 
              das Ganze an und sagte: "Das wäre was für (den Choreographen 
              und Komponisten) Alwin Nikolais." Nicolais kam später 
              vorbei, und das völlig Unerwartete passierte: Er gab einen 
              Auftrag.
 
 Tatsächlich bekamen wir auf der Messe zwei oder drei Aufträge, 
              und die gaben uns ungefähr sechs Monate Arbeit. So ging' s 
              los.
 
 
 
 Das 
              Big Business Bis 
              zum Sommer 1965 war es eine Teilzeitbeschäftigung. Ich hatte 
              damals acht oder zehn Leute beschäftigt, aber die Arbeit lief 
              schlecht, und wir konnten unsere Termine nicht einhalten. Wir arbeiteten 
              gerade an Spezialanfertigungen für John Cage, als um 9 Uhr 
              abends das Telefon klingelte. Es war mein Doktorvater: "Moog, 
              alles, was nicht bis morgen früh um neun auf meinem Schreibtisch 
              liegt, fliegt aus Ihrer Dissertation raus." So kam ich doch 
              noch zu meiner Doktorarbeit. Ich hab' sie in dieser Nacht zuende 
              geschrieben.
 Nachdem das endlich vorbei war, machten wir Vollzeitarbeit. Aber 
              ein Business? Seriös gesehen waren wir nie eine richtige Firma. 
              Nie. Wir hatten zwar einige Voraussetzungen dazu, aber es gab weder 
              die Kontrolle, noch die Voraussicht, geschweige denn die Planung, 
              die eine wirkliche Firma ausmachen. Wir konnten das einfach nicht. 
              Wir waren dauernd in den roten Zahlen. Wir hatten kein Kapital. 
              Nichts. Null! Aber irgendwie schafften wir es doch, am Leben zu 
              bleiben.
 
 
 
 Der 
              wundersame Rei-Bach Wendy 
              Carlos studierte bei Ussachevsky am Columbia-Princeton Center. Ich 
              lernte sie kennen, als wir alle zusammen chinesisch essen waren. 
              Als es ein Geschäft wurde, arbeitete Wendy als Toningenieur 
              bei Gotham Records, einem der damals schicken Studios. Nebenbei 
              probierte sie ihre eigenen Möglichkeiten aus. Sie fing an, 
              einzelne Module zu ordern und bot umfangreiche Kritik an. Sie hatte 
              ein wirklich instinktives Verständnis dafür, was ich richtig 
              oder falsch machte. Die Festfilterbänke waren beispielsweise 
              ihre Idee (Anmerkung des Übersetzers: Danke, Wendy!), wie auch 
              eine Menge anderer Sachen; ich krieg das nicht mehr richtig zusammen. 
              Ihre Vorschläge kamen immer auf den Rückseiten von Briefumschlägen 
              oder per Telefon. Wendy hatte bereits einige Bach-Stücke gemacht, 
              und sie und Rachel Elkind, Goddard Liebersons Sekretärin bei 
              CBS, entschieden, daß eine Schallplatte mit elektronischer 
              Musik auf der Grundlage von Bach-Werken interessant wäre.
 Auf der AES-Versammlung 1968 in New York City stellte ich ein Papier 
              über die unterschiedlichen Organisationsmöglichkeiten 
              eines elektronischen Musikstudios vor. Zu dem Zeitpunkt kannten 
              wir Sequencer, wir wußten etwas über Computersteuerung, 
              waren mit der Mehrspur- Aufnahmetechnik vertraut, usw. Am Ende der 
              Diskussion sagte ich zu dieser durchaus großen Versammlung: 
              "Als Beispiel für die Kompositionsarbeit mit Mehrspurtechnik 
              in einem Elektronikstudio möchte ich Ihnen Ausschnitte aus 
              einer Platte mit Bach-Musik vorspielen, die demnächst veröffentlicht 
              wird." Es war der letzte Satz von Wendys 3. Brandenburgischen 
              Konzert. Ich verließ die Bühne und ging nach hinten. 
              Die Leute hörten zu, und ich konnte es förmlich riechen: 
              Sie waren vollkommen von den Socken. Diese technisch orientierten 
              Leute waren mit soviel Blödsinn, mit so viel minderwertigem, 
              opportunistischen Zeug beschäftigt; aber hier war etwas, das 
              einfach makellos realisiert war, offensichtlichen musikalischen 
              Inhalt besaß und total innovativ war. Das Band bekam stehende 
              Ovationen.
 
 CBS hatten keine Ahnung, was sie mit Switched-On Bach besaßen. 
              Als die Platte rauskam, quetschten sie sie noch in eine Studio-Presse-Party 
              für Terry Rileys In C und eine grauenhafte Platte namens Rock 
              And Other Four Letter Words. Die Carlos war so stinkig, daß 
              sie sich weigerte, zu kommen. Also fragten CBS in ihrer Repräsentationsgier 
              mich, ob ich den Synthesizer dort demonstrieren könnte. Ich 
              kann mich noch erinnern, daß es eine hübsche große 
              Schale voller Joints auf dem Mischpult gab. Und da war Terry Riley 
              in seinem weißen Jesus-Anzug auf einem Sockel und spielte 
              auf einer Farfisa-Orgel zu Band-Echos. Von Rock And Other Four Letter 
              Words wurden einige tausend Stück verkauft. Von In C wurden 
              einige zehntausend verkauft. Von Switched-On Bach wurde über 
              eine Million verkauft, und ein Ende ist nicht in Sicht.
 
 Walter Sear hatte sich die Madison Avenue hoch und runter geschuftet und kommerziellen Musikproduzenten, die für Werbeagenturen arbeiteten, Modulsysteme verkauft. 1968 hatte er ungefähr 40 Kunden, aber dann kam Switched-On Bach raus, und die Kacke war am Dampfen. Jeder Plattenproduzent mußte 1969 unbedingt eine Moog-Platte haben. Wir bekamen Aufträge von CBS, NBC, Elektra und einer Menge anderer Typen. Und die Jungs wollten nicht einfach "eins von diesen und zwei von jenen Modulen". Sie sagten: "Ich brauch' Dein größtes System" und erwarteten, daß sie Geld machen würden wie die Carlos. Ich könnte Ihnen einige dieser Platten vorspielen. Ein paar kann man sich noch anhören, aber meistens war es zynischer, alberner, opportunistischer Mist: Würfel eine Gruppe zusammen, nimm ein paar Streicher, Bläser und Vocals auf und laß ein bißchen Platz für neuartige Melodie-Linien vom Synthi. Das in etwa war die Szene '69. Moog- Platten.
 
 
 
 Das 
              Big Business (schlägt zu) In 
              unserer besten Zeit spuckten wir zwei bis drei Modulsysteme pro 
              Woche aus. Wir hatten 42 Angestellte und waren das gesamte Jahr 
              1969 und die erste Hälfte 1970 ausverkauft.
 Dann kamen drei Kräfte zusammen. Erstens war der Markt langsam 
              gesättigt. Die Jungs, die auf den Zug mit den Moog-Platten 
              gesprungen waren, hatten keine Hits. Also verscherbelten sie ihre 
              Synthesizer. Zweitens hatten wir durch ARP plötzlich Konkurrenz. 
              Ihre Synthesizer hatten den Reiz stabiler Oszillatoren und keine 
              Kabel- Dschungel. Drittens kam eine allgemeine Rezession, die die 
              Musikproduzenten zur Sparsamkeit zwang. Von einem Tag auf den anderen 
              hatten wir keine auszuführenden Aufträge im Wert von einer 
              Viertelmillion mehr, sondern gar keine Aufträge. Was wir hatten, 
              war der Minimoog. Wir hatten Nachfragen von Studiomusikern bekommen, 
              ob wir den ganzen Krempel nicht in ein schönes kleines Gehäuse 
              bauen könnten, das man bequem mit zum Gig nehmen könnte. 
              Wir bauten so was, wußten aber nicht, wie wir es verkaufen 
              sollten. Musikgeschäfte hatten ja keine Synthesizer.
 
 Null Verkäufe, dicke Rechnungen, jede Menge Inventar und kein 
              Kapital. Ich hatte schon seit einiger Zeit nach Kapital gesucht, 
              aber das ist eine der Sachen, für die ich absolut ungeeignet 
              bin. Ich konnte keinen einzigen Geldmenschen dazu bewegen, in die 
              Firma zu investieren. So kam es, daß ein gewisser Bill Waytena 
              die Firma übernahm. Der Typ war darauf spezialisiert, kaputte 
              Firmen zu kaufen, sie aufzumotzen und wieder zu verkaufen. Der Deal 
              kostete ihn nichts außer der Garantie, daß die Kredite, 
              für die wir persönlich hafteten, zurückgezahlt würden. 
              Außerdem mußten unsere Lieferanten bezahlt werden: Alles 
              in allem mehr als $ 250.000.
 
 
 
 Waytenas 
              Mittel und Wege Warum er an uns 
              interessiert war? Weil er eine Marketing- Chance sah. Er hatte tatsächlich 
              bereits eine Handvoll Ingenieure angeheuert, um einen Synthesizer 
              namens Sonic V zu entwickeln. Den Auftrag dazu hatte er im Namen 
              einer seiner Firmen, Musonics, gegeben. Er sagte mir, das würde 
              der nächste Hit als Erwachsenen-Spielzeug werden, und alles, 
              was man tun müsse, sei, Anzeigen für die Dinger in Esquire 
              zu schalten. Dann würde er 5.000 Stück davon verkaufen. 
              (Anmerkung des Herausgebers Keyboard: Nach Waytenas eigener Erinnerung 
              zielte er eher auf den Markt für pädagogische Hilfsmittel.) 
              Das war gar nicht so blöd: Damals waren die Leute tierisch 
              geil auf alle Dinger, die komische elektronische Sounds machten. 
              Wie auch immer, als er das Ding rausbrachte, konnten wir sehen, 
              daß er keine 5.000 verkaufte. Er verkaufte nicht mal 500, 
              denn er hatte keinen Namen, und er hatte keine Produkterfahrung. 
              Also kaufte er R. A. Moog Inc., zog mit der Firma nach Buffalo, 
              vereinigte sie mit Musonics zu einer Firma namens Moog/Musonics, 
              ließ irgendwann Musonics weg - und heraus kam Moog Music.
 Das Gebäude, das wir bezogen, war die letzten hundert Jahre 
              eine Gelatine-Fabrik gewesen. Wissen Sie, wie man Gelatine macht? 
              In einer riesigen Halle gab es nichts als Betongruben im Boden, 
              sechs mal zehn Fuß breit und sechs Fuß tief. Diese Gruben 
              wurden mit unglaublich festen Wasserbüffelhäuten gefüllt, 
              beziehungsweise dem, was davon übrig war, denn die Häute 
              stoppten auf ihrem Weg von Indien in Brasilien, wo Getriebe und 
              andere Maschinenteile aus ihnen ausgestanzt wurden, fest, wie sie 
              waren. Die Häute weichten dort ein Jahr lang in Lauge. Dann 
              kochten sie das Zeug in einem Bottich mit Walzen, die es zu einem 
              Brei zerdrückten, filterten die Gelatine aus und trockneten 
              sie mit riesigen Ventilatoren auf Tabletts in einem 60 Fuß 
              langen halbkreisförmigen Tunnel. Wenn hier Gelatine gemacht 
              wurde, konnten Sie es zehn Meilen weit riechen, und jeder Bekloppte 
              in der Gegend hatte hier seinen Job, weil nur Bekloppte an einem 
              solchen Ort arbeiten können. Wenn Sie sich Kurzweil Music heute 
              ansehen, oder auch nur, wie ARP Instruments damals aussah, war Moog 
              Music im Vergleich ein Scheißloch. Ein stinkendes, feuchtes, 
              ungemütliches, unattraktives, nicht fertiggestelltes Scheißloch, 
              in dem wir von März 1971 bis 1974 arbeiteten.
 
 
 
 Heimat, 
              Deine Sterne Dave 
              Van Koevering stammte aus dem Süden, aus einer Familie fundamentalistischer 
              Geistlicher. Er war ein absolutes Genie darin, Leute zu unterhalten, 
              ihre Aufmerksamkeit zu bekommen und sie zu begeistern. Als ich ihn 
              kennenlernte, lebte er davon, Versammlungen an Grundschulen abzuhalten, 
              in denen er neuartige Musikinstrumente vorführte. Zu diesen 
              Instrumenten zählte neben Glasharmonikas auch ein modularer 
              Synthesizer - und darum trafen wir uns.
 Dave fand in einem Piano- und Orgelhändler aus St. Petersburg, 
              Florida, einen Partner und entschloß sich, Minimoogs zu verkaufen. 
              Zu dem Zeitpunkt wurden keine Synthesizer oder irgendwelche Instrumente 
              mit Reglern in Musikgeschäften angeboten. Aber Dave hatte eine 
              Vision.
 
 Er ging mit einem Minimoog in ein Musikgeschäft irgendwo mitten 
              in Florida und zeigte ihn dem Eigentümer und dem Verkäufer. 
              Er wurde fast zwangsläufig rausgeschmissen. Dann ging er zum 
              örtlichen Holiday- oder Ramada-Inn und checkte die Bands ab.
 
 Während der Pause zog er die Keyboard-Spieler zur Seite, zeigte 
              ihnen den Minimoog, die Typen flippten aus, und Dave sagte: "Ich 
              sorge dafür, daß Du so'n Ding kriegst." Am nächsten 
              Morgen ging er mit dem Musiker im Schlepptau wieder in das Musikgeschäft, 
              wo sie ihn rausgeschmissen hatten, und sagte: "Hier ist Ihr 
              erster Kunde. Also ordern Sie jetzt zwei Stück!" So kam 
              der Minimoog in die Musikgeschäfte. Es begann an einem denkbar 
              ungünstigen Ort: mitten in Florida.
 
 Van Koevering hatte eine goldene Zunge und enorme Hände, die 
              er beim Reden einsetzte. Er sah aus wie eine Mischung aus Colonel 
              Sanders und dem Music Man. Also stellten wir ihn als Marketing Manager 
              ein. Er blieb ein Jahr bei uns und nahm viele europäische Großhändler 
              unter Vertrag. Waytena hatte aber offenbar den Eindruck, daß 
              Van Koevering als Verkaufskanone nicht ankäme, und so waren 
              seine Tage bei uns gezählt.
 
 
 
 Das 
              Big Business schlagt zu(rück)
 Die Anekdote! Die wichtigste Anekdote!
 Van 
              Koevering stellte fest, daß wir einen Preset-Synthesizer brauchten, 
              etwas ähnliches wie der ARP ProSoloist. Ich fing im Dezember 
              1971 an. Ich hatte einen Zeichner, der keine geraden Linien ziehen 
              konnte, nicht mit allen Hilfsmitteln dieser Welt, und einen entsprechend 
              unfähigen Designer. Im Juni hatten wir irgendwie einen Prototypen 
              namens Satellite. Bei der NAMM im Juni 1973 wurde er auf einer Wurlitzer-Orgel 
              stehend vorgeführt, und jeder einzelne Orgelhersteller kam 
              und fachsimpelte unsicher darüber. Ein heißes Produkt. 
              Aber es war nicht in Produktion. Waytena beschloß, die Herstellungsrechte 
              zu verkaufen und hatte Ende Sommer einen dicken Fisch an der Angel. 
              Sie wollen erstaunliche, erschreckende, unfaßbare Verkaufszahlen 
              hören? Die Thomas Organ Company unterschrieb, daß sie 
              Satellites in ihre Orgeln einbauen und pro Stück $ 15 Tantiemen 
              zahlen würde. Und das sie 5.000 eigenständige Satellites 
              bauen und pro Stück $ 75 zahlen würde. Pro Stück. 
              Der kalkulierte Endverbraucher-Preis lag bei $ 500. Dies bedeutete, 
              daß die Musikgeschäfte $ 300 zahlten, was hieß, 
              daß die Herstellung nicht mehr als $ 180 kosten durfte, um 
              rentabel zu sein. Aus diesen $ 180 saugte sich Waytena $ 75. Eine 
              rasante Rendite. Der normale Tantiemen-Anteil solcher Produkte liegt 
              bei 5% des Großhandelspreises. In diesem Fall lag er bei mindestens 
              40%.
 Im Geschäftsbericht des kommenden Jahres gab es bei Moog Music 
              einen Posten Zusätzliche Einkünfte - $ 375.000. Das waren 
              die Tantiemen. Mit den anderen Einkünften addiert und gegen 
              die Kosten aufgerechnet ergaben sie den ungewöhnlichen Profit 
              von mindestens 25%. Eine Firma, die 24-25% Gewinn erwirtschaftet, 
              ist natürlich für jeden Geschäftsmann unglaublich 
              attraktiv. Also nahm Waytena den Geschäftsbericht, dieses eine 
              einzige Stück Papier, und verkaufte damit Moog Music an Norlin. 
              "25% Profit vor Steuern!" soll er ihnen erzählt haben, 
              "Besitzen Sie irgendwas, das solche Gewinne abwirft?" 
              Das erstaunlichste war aber eigentlich, daß niemand bei Norlin 
              die zusätzlichen Einkünfte als das einmalige Ding erkannte, 
              das sie waren. (Anmerkung des Herausgebers Keyboard: Waytena nimmt 
              an, daß Moog Musics Reputation als technisch kompetente Firma 
              ein weiterer wichtiger Punkt gewesen ist.)
 
 Ich weiß nicht genau, was Norlin für Moog gezahlt hat: 
              Irgendwas zwischen zwei und zehn Millionen.
 
 
 
 Der 
              Sand im Getriebe (kennen Sie ja) Waytenas 
              besonderer Deal mit Norlin bestand darin, daß er weitere sieben 
              Jahre lang für $ 5.000 im Monat als Manager in der Firma bleiben 
              sollte. Aber er prahlte, daß er sich schon vor Ablauf dieser 
              Frist an der Firma gesundstoßen würde. Noch bevor die 
              Tinte trocken war, wurde er derart schwierig im Umgang, daß 
              sie beschlossen, ihn auszuzahlen. Es dauerte kein Jahr. Den Geschichten 
              zufolge, die damals im Umlauf waren, sagten sie ihm Weihnachten 
              1973: "Wir schicken Dir Dein Geld. Hau ab." (Anmerkung 
              des Herausgebers Keyboard: Laut Waytena bekam er zehn Jahre lang 
              $ 50.000 pro Jahr).
 Ein Beispiel: Ein Teil des Deals war eine Provision, die er aufgrund der verkauften Minimoog-Stückzahlen erhielt. Naja, zu dieser Zeit hatte Moog Music nur einen Abnehmer, und das war Norlin. Also ging er ein paar Monate nach Vertragsunterzeichnung zu einem Norlin-Vorstandsmitglied und sagte: "Ich hab' hier einige Papiere zur Unterzeichnung." Eins der Papiere war ein Auftrag über Minimoogs - 300 pro Monat. Ein paar Monate später kam eine Gruppe Rechnungsprüfer von Norlin vorbei, und dieser 60-Fuß-Tunnel, von dem ich Ihnen erzählt habe, wo die Gelatine getrocknet wurde - dieser Tunnel lief vor Minimoogs über. Vierzehnhundert Minimoogs. Die Rechnungsprüfer rasteten aus. Aber Waytena hatte den schriftlichen Auftrag ...
 
 
 
 Der 
              Abstieg und die Vergessenheit Als 
              Waytena ging, leitete Dave Luce die Technik und Tom Gullo die Herstellung. 
              Ich selbst betrieb bei Norlin meine eigene bescheidene Forschungstätigkeit.
 Tom Gullo war ein fähiger Junge, der sich mit großen 
              Problemen rumschlug. Als Norlin uns übernahm, entschieden sie, 
              daß ihre gesamte Herstellung bei Moog zusammengefaßt 
              werden sollte, weil die Lohnkosten in Buffalo niedrig waren. Auf 
              der Grundlage kombinierter Verkaufskalkulationen verpulverten sie 
              $ 2,5 Millionen für Instandsetzungen und Neugeräte. Aber 
              die Kalkulationen waren falsch, und Tom Gullo sah sich mit der Aufgabe 
              konfrontiert, diese immensen Investitionen zu finanzieren. Also 
              besorgte er Aufträge, Platinen für Fremdfirmen zu bestücken. 
              Da das Musikaliengeschäft nach wie vor mäßig lief 
              (Dave Luces Polymoog ging in Produktion, es waren aber nachträglich 
              an die 300 technische Eingriffe nötig) war Tom mehr und mehr 
              auf Reisen, um die Firma am Laufen zu halten. Ende 1970 war Moog 
              eher Subunternehmer als Hersteller.
 
 Zwei Leute mit vollkommen unterschiedlichen Persönlichkeiten 
              waren für die beiden wichtigsten Aufgabenbereiche verantwortlich. 
              Dave Luce war ein hochgradig intelligenter, technisch ausgebildeter 
              Mann, der einen Hang zu komplizierten, feinsinnigen, verzwickten 
              Dingen hatte. Tom Gullo war ein Herstellungsleiter, der sich alles 
              selbst beigebracht hatte und einen Hang zu simplen, geradlinigen, 
              einfach verständlichen Dingen besaß. Nachdem ich 1977 
              die Firma verlassen hatte, kaufte Norlin einen Typ namens Dave Bueschel 
              ein, einen Ingenieur mit etwas Management-Schulung. Er versuchte 
              eine zeitlang, die beiden Seiten zu integrieren, schaffte es aber 
              nicht. Als er ging, entschieden die Norlin-Leute in ihrer unendlichen 
              Weisheit, die einzig richtige Methode, einen Präsidenten für 
              Moog Music zu finden, sei, einen Betriebspsychologen einzustellen 
              und vier Leute einem Intelligenztest zu unterziehen: Luce, Gullo, 
              den Verkaufsleiter Neil Smith und den Marketing Manager Herb Deutsch. 
              Dave, der promovierte Absolvent des M.I.T., der komplizierte Lösungen 
              scheinbar einfacher Probleme liebte, gewann den Wettbewerb und wurde 
              Präsident von Moog Music. Der Rest ist bestens bekannt.
 
 Was mich dazu brachte, zu gehen. Oder besser gesagt, was mich dazu 
              brachte, so lange zu bleiben. Ich hatte einen Vierjahresvertrag, 
              den ich erfüllen mußte, um mein Kapital zurückzubekommen. 
              Wenn ich gekonnt hätte, wäre ich früher gegangen.
 
 
 
 Das 
              Big Business schlägt zurück (und zwar kräftig) Nach 
              Moog Music baute ich ein Haus, machte ein paar Auftragsarbeiten 
              und war als Berater tätig, bevor ich bei Kurzweil anfing. Jim 
              Scott, Tom Rhea und ich entwarfen einen sehr schicken analogen Synthesizer 
              für Crumar, den Spirit. Den findet man heute kaum noch. Und 
              ich arbeitete an einem Ding namens Gizmotron.
 
 
 Das 
              ist eine Geschichte! Aaron 
              Newman gründete Musitronics und startete die Mu-Tron Pedal 
              Serie, die Anfang und Mitte der siebziger Jahre sehr populär 
              war. Um 1976 kamen Lol Creme und Kevin Godley von 10CC auf ihn zu 
              und zeigten ihm ihre Erfindung einer Gitarrensteuerung, das Gizmotron. 
              Aaron war Gitarrist. Er meinte, daß es mehr Gitarristen als 
              Keyboarder gäbe und daß jeder von ihnen so ein Ding haben 
              müsse. Also fand er mit ARP einen Käufer auf Tantiemenbasis 
              für Mu-Tron und machte mit der Entwicklung des Gizmotrons weiter. 
              Nun ja, es passierten eine Menge Sachen. ARP verloren die Power, 
              ihren Verpflichtungen nachzukommen und bezahlte die Tantiemen nicht 
              mehr. Das Gizmotron war sehr kniffelig zu bauen. Es war auf bestimmte 
              Gummiteile angewiesen, und die Gummiteile funktionierten manchmal 
              und manchmal nicht. Die Herstellung dieser Teile war sehr teuer. 
              Bevor Aaron sich versah, schuldete er seinem Gummilieferanten $ 
              90.000 und anderen Leuten erheblich mehr - und das Ding konnte immer 
              noch nicht gebaut werden. Aaron versuchte, Geld aufzunehmen, denn 
              die Kreditgeber wurden immer nervöser. Nach sechs Monaten schaffte 
              er es, einen SBA (Small Business Administration, kleiner Geschäftskredit) 
              in Höhe von $ 150.000 zu bekommen. Als Sicherheit wurde alles 
              eingesetzt, was er besaß: sein Haus, sein Auto, einfach alles. 
              Er unterzeichnete die Papiere Montag morgen. In der darauffolgenden 
              Nacht hatte er eine Herzattacke und mußte sechs Wochen ins 
              Krankenhaus. Während er im Krankenhaus war, wurden die ~ 150.000 
              an die Kreditgeber ausgezahlt. Die Summe reichte aber nicht, und 
              so wurde die Firma in den Bankrott getrieben.
 Aaron ist jetzt Versicherungsvertreter (und sogar ein sehr erfolgreicher). So kann's Ihnen gehen im Musikgeschäft.
 © Übersetzung: 
              Wieland SamolakSynthesizerstudio Bonn
    
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