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Heinz Funk
Was ist ein Synthesizer?
Man
kann darüber denken, wie man will: Auch der Kunststoff hat
sich durchgesetzt, ohne daß Holz, Glas, Keramik, Metall dadurch
in ihrer Bedeutung verdrängt oder auch nur beeinflußt
worden sind. In der Musik vollzieht sich jetzt die gleiche Entwicklung
- zum synthetischen Ton oder Klang. Die "Bauweise" der
Musik, Stil und Art des Zusammenklingens und die Folge von Tönen
haben sich, wie alles in der Kunst, ständig verändert
und verändern sich heute noch fortgesetzt, - nicht aber die
"Baustoffe", nämlich die Töne, so wie die Natur
sie uns bot: das Schwingen einer Saite auf der Geige, einer Luftsäule
im Trompetenrohr, einer Klaviersaite, der Stimmbänder.
Trotz
aller Bemühungen um Varianten, um Verfremdung und Verfärbung
dieses Naturtonmaterials, durch Erweiterung der Dimensionen, durch
aufgesetzte Dämpfer, durch Reißnägel im Klavierhammer
usw. hat sich am Ursprung dieses Tonmaterials seit Tausenden von
Jahren bis heute nichts geändert, wenigstens nichts Wesentliches
im Vergleich zu den wesentlichen und ständig progressiven Veränderungen
und Erneuerungen in Form und Stil des Komponierens und Musizierens.
Mit
der Entwicklung der Elektronik begann ein neues Tönen. Zunächst
zufällig, als unerwünschtes Nebenprodukt im Rückkopplungs-Pfeifen
der ersten Rundfunkempfänger: das Schwingen der Elektronen
in einem Stromkreis, als Ton hörbar in der Membran des Kopfhörers
oder Lautsprechers. Dann zielstrebig weiterentwickelt zum elektronischen
Musikinstrument, aber eben zum Musikinstrument mit Registern und
Klangfarben, zu denen sich der Konstrukteur, nicht aber der Benutzer
entscheiden mußte. Und wieder war die Imitation herkömmlicher
Instrumente und Klangfarben Ziel und Maßstab aller Perfektion!
Nichts Endgültiges und letztlich Neues also, abgesehen von
dem Gag, eine Violine von einer Tastatur spielen zu können.
Aus
dieser Unzufriedenheit über den vorgefertigten, vorgegebenen
und vorbestimmten Klang, über das "Fertiggericht"
eines Klanges oder Tones, egal ob reale oder elektronische Klangerzeugung,
entstand schließlich die Idee des Synthesizers. Die Idee einer
kompletten Küche zum Selbstkochen mit allen nur denkbaren Zutaten
und Geräten, die Idee eines elektronischen Handwerkskastens
mit allen nur denkbaren Werkzeugen und Stoffen zum: "Do it
yourself" am Suchen und Finden eines Klanges oder Tones nach
eigener Vorstellung und eigener Phantasie.
Was ist ein
Ton?
Einen
Ton oder Klang kann man "analysieren", d. h. zerlegen,
und so feststellen, warum Geige, Flöte oder Klavier so völlig
verschieden klingen. Man wird feststellen, daß die typischen
Merkmale, an denen wir einen Klavier-, Geigen- oder Flötenton
unterscheiden, abgesehen von der Tonhöhe (Grundschwingung),
aus einer Vielzahl von "Funktionen" bestehen. Solche Funktionen,
d. h. Abläufe von Merkmalen während einer bestimmten Zeit,
sind z. B. die Tonform, d. h. der Verlauf der Lautstärke, die
Klangfarbe, d. h. die Anteiligkeit von Oberwellen zur Grundschwingung,
und der Klangfarbenverlauf, d. h. die Oberwellenverschiebungen,
die sich während des Ablaufes eines Tones ergeben.
Baut
man nun einzelne Elemente, mit denen man solche Funktionen einzeln
und unabhängig voneinander erzeugen kann, so läßt
sich beispielsweise ein Klavierton wieder aus solchen Funktionen
zusammensetzen, d. h. "synthetisieren". Wie im Kochbuch.
Man nehme einen oder mehrere Schwingungserzeuger (Oszillatoren!),
wähle eine geeignete Wellenform mit dem richtigen Obertonaufbau,
dann nehme man eine "Kontur" (Tonformverlauf), eine mit
hartem Anschlag, d. h. kurze Einschwingzeit, langem, linear verlaufendem
Ausklang und einem allmählichen Aufbau der Obertöne. Das
Ganze setze man mit einem Tastenanschlag (triggern!) in Bewegung
und bestimme nach Belieben kürzeren oder längeren Ablauf.
So entsteht also wieder synthetisch ein Klavierton, nur daß
hier der Klavierton einen winzigen Bruchteil der Möglichkeiten
darstellt, die man mit den Funktionen eines Synthesizers erreimen
kann, wobei die Imitation bekannter und gewohnter Klänge und
Töne sicherlich die unbedeutendste und uninteressanteste Seite
des Unternehmens sein dürfte.
"Selbstgebaute"
Klänge
Es
beginnt ja erst, interessant zu werden, wenn Ungewöhnliches
passiert, wenn der Klavierton z. B. langsam einschwingt und schnell
abreißt, so wie beim Rückwärtsspielen einer Bandaufnahme,
und wenn aus solch einer kleinen und winzigen Funktionsveränderung
schon so ungewöhnlich Neues passiert.
Wenn
beispielsweise nur vier Funktionen getauscht oder geändert
werden können, jede in einer Vielzahl von Nuancierungen. so
erinnert das immer an die Jugendimpression einer Schokoladenschachtel
mit Schiebebildern. in der man zehn oder zwölf Köpfe,
Rümpfe, Beine und Füße in allen möglichen Kombinationen
übereinanderschieben konnte, und ebenso hilflos wie fasziniert
versuchte, die Summe der Möglichkeiten zu ergründen.
Je
weiter die "Entfesselung", die Auflösung in Funktionen
getrieben wird, um so interessanter und vielseitiger ist ein Synthesizer,
um so berechtigter trägt er diesen Namen.
Das
Ganze wurde möglich, nachdem der Amerikaner R. A. Moog ein
System entwickelt hatte, mittels Spannungen zwischen 0 und 10 V,
die man beliebig mischen, summieren und überlagern kann, all
diese Funktionen gewissermaßen in einer Art Fernbedienung
und Fernauslösung zu "steuern": Vergleichbar mit
einem hydraulischen System, in dem man beispielsweise einem konstanten
Druck nochmals einen pulsierenden und dann dem Ganzen nochmals einen
stufenweise ansteigenden überlagern kann, wird beim Synthesizer
unter dem "Druck" der Steuerspannung die Basis-Tonhöhe
eines Oszillators bestimmt. Eine zweite, pulsierende Steuerspannung,
etwa der Ausgang eines langsam schwingenden Oszillators, besorgt
die "Modulation" in Varianten von "Luftschutzsirene"
bis "Vibrato", je nach Frequenz und Amplitude, und eine
dritte, z. B. von der Tastatur, besorgt die stufenweise Verstimmung,
die Melodie oder das Tonmuster.
Versuchen
wir einzuteilen, so bieten sich drei hauptsächliche Begriffe
an: Das Klangmaterial, die Klangformung, die Klangfärbung oder
Klangveränderung. Als Klangmaterial, an dem geformt, gefiltert
und moduliert wird, dienen dem Synthesizer Oszillatoren, Rauschgenerator
und von außen eingespeiste "fremde" Schallquellen
wie elektronische Musikinstrumente, Bandaufzeichnungen, Mikrofonsignale
o. ä.
Die
Oszillatoren erzeugen elektronische Schwingungen, nicht, wie bei
der Orgel, in festgelegter, stabilisierter Tonhöhe, sondern
in Abhängigkeit vom "Druck" der Steuerspannung, die
ihnen aufgeschaltet wird in einem sehr weiten Bereich von ganz langsamen
Schwingungen, etwa einmal alle 200 Sekunden, bis zu Frequenzen von
15 000 Hz. Die Schwingungen entstehen durch interne, automatische
Schaltvorgänge, aus denen verschiedene Wellenformen wie Sägezahn,
umgekehrter Sägezahn, Dreieck, Sinus und Rechteck gleichzeitig
abgeleitet werden und beliebig zusammengemischt wie auch gegenphasig
verkehrt werden können.
Die
Rechteck-Wellenform kann außerdem im "Tast-Verhältnis"
(Breitenverhältnis der Rechtecke zu den Pausen) in weiten Grenzen
verstellt oder auch gesteuert werden. Dadurch sind gleitende Oberwellenverschiebungen
während des Tonablaufs programmierbar. Auf die Tonhöhen-Bestimmung
eines Oszillators wirkt die Summe aller angelegten Steuerspannungen
ebenso wie umgekehrt mit einer Steuerspannung gleichzeitig mehrere
Oszillatoren parallel in ihrer Tonhöhe beeinflußt werden
können. Im Unisono oder in beliebigen Intervallen, in künstlich
aufgebauten Obertonreihen, Mixturen folgen sie parallel, bei Zwangssynchronisation
sogar phasen-deckungsgleich der angelegten Steuerspannung.
Das
Steuern der Tonhöhe erfolgt im allgemeinen unter dem Einfluß
mehrerer Steuerspannungen gleichzeitig: einer handregelbaren Grundstimmung
in Feineinstellung wie auch in umschaltbaren Oktavstufen, darüber
hinaus durch die stufenweise Steuerspannung der Tastatur, der sie
in reine, temperierter Stimmung, wie auch in jeder beliebigen einstellbaren
Teilung (z. B. Viertelton-Skala) folgen kann. Außerdem können
die Tonsprünge mit beliebig einstellbarer Geschwindigkeit gleitend
erfolgen (Glissando). Wird weiterhin die periodische Schwingung
eines Oszillators oder die auf- und absteigende Spannung eines Konturgenerators
aufgeschaltet, so entsteht eine "Modulation", z. B. Vibrato,
Shatter-Effekte, Bends, Lifts, Prall-Triller, u. v. a. m. Auch schnelle,
hörbare Schwingungen können aufmoduliert werden, da die
Umstimmung der Oszillatoren trägheitslos auch mit hohen Frequenzen
erfolgt, so daß Interferenztöne aller Art entstehen können.
Da
von der Tastatur her nur eine Steuerspannung von der jeweils tiefsten
Taste (bei einigen Synthesizern auch zwei Steuerspannungen von der
höchsten und tiefsten Taste gleichzeitig) abgeleitet werden,
wird verständlich, warum ein Synthesizer nicht akkordisch wie
eine Orgel spielbar ist.
Der
Rauschgenerator erzeugt ein Gemisch von allen möglichen hörbaren
Frequenzen, beim "weißen" Rauschen mit gleichmäßiger
Verteilung, so wie weißes Licht alle Farben in gleichmäßiger
Verteilung enthält, beim "rosa" Rauschen sind nach
unten in zunehmendem Maße die tieferen Frequenzen stärker
enthalten. Rauschen wird durch Filterung (Hervorhebung bestimmter
Frequenzen) tönend und spielbar, als Modulation bewirkt es
"harsche" Klänge, ferner eignet es sich zur Beimengung
zu Tönen oder auch zur Erzeugung synthetischer Geräusche
wie Pferdegetrappel, Trommel, Regen, Wind, Sturm usw.
"Fremdsignale"
(außen angeschlossene, fremde "Schallquellen" wie
Musikinstrumente Bandaufzeichnungen., Mikrosignale usw.) können
einzeln oder zusammen mit den Hörsignalen des Synthesizers
gefiltert, moduliert, ringmoduliert und geformt werden. So weit
der Überblick über das Klangmaterial.
Der
Konturgenerator
Die
Klangformung geschieht mittels Lautstärkebeeinflussung in steuerbaren
Verstärkern, die je nach anliegender Steuerspannung mehr oder
weniger öffnen oder schließen. Geeignete Steuerspannungen
hierfür sind: Fußpedale, langsam schwingende Oszillatoren
(Amplituden-Modulation !) und vor allem Konturgeneratoren. Ein Konturgenerator
arbeitet wie ein elektronisches Uhrwerk, das jedesmal von neuem
abläuft, wenn es einen Auslöseimpuls, ein "Trigger-Signal",
erhält, z. B. bei jedem Tastenanschlag. Er erzeugt eine auf-
und absteigende Steuerspannung, deren Auf und Ab in vier Phasen
"programmiert" werden kann:
1. Zeitdauer des Ansteigens
bis zum Maximum (Attack)
2. Zeit des Abfallens
(Decay) vom Maximum bis 0, oder
3. bis zu einem vorbestimmbaren
Niveau (Sustain) und schließlich
4. endgültiges Abfallen
von diesem Niveau auf 0, nach Loslassen
der Taste (Final Decay).
Diese Zeiten sind in weiten Grenzen von 0 bis 10 Sekunden verstellbar.
Wird eine solche auf- und absteigende, "getriggerte" Steuerspannung
einem Verstärker angeboten, so wird der Ton entsprechend im
Lautstärkeablauf geformt. So entstehen beispielsweise Staccatos,
Pizzicatos, weich einschwingende Tonformen usw. in unzählbar
vielen Nuancierungen. Eine solche "Kontur" kann aber auch
einem Filter angeboten werden, das dann entsprechende, gleitende
Filterungseffekte ermöglicht, oder auch einem Oszillator, wobei
hier alle möglichen, programmierbaren Tonhöhenverschiebungen
bei jedem Tastenanschlag, wie Lifts, Bends, Prall-Triller usw.,
entstehen. Besonders das Zusammenspiel mehrerer Konturengeneratoren,
die auch mit einstellbarer zeitlicher Verzögerung ablaufen
können, ergibt eine reizvolle Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten
bei der Programmierung von komplizierten Klangabläufen, z.
B. eines Flötentones, der mit dem "Einblasen" beginnt
und nacheinander allerlei Veränderungen hinsichtlich der Obertonentwicklung,
des Vibratos und des Ausklingens erhält, oder auch bei der
Produktion ganz unorthodoxer Töne, die beispielsweise wie ein
Klavier beginnen und wie eine Trompete enden. Die Kontur kann auch
zum Beschleunigen und Verzögern von Modulationsfrequenzen verwendet
werden, usw.
Spätestens
an dieser Stelle des Versuchs einer Einteilung offenbart sich die
Schwierigkeit einer logischen Gruppierung in diesem "Jedes
mit Jedem"-System zwischen den zahlreichen Elementen eines
Synthesizers, indem die Entfesselung aller nur denkbaren Kopplungs-,
Kreuz- und Rückkopplungsmöglichkeiten aller Elemente untereinander,
die Systemlosigkeit also, zum System wird.
Auf
weitere wichtige Elemente des Synthesizers sei daher nur noch in
Kürze, ohne Anspruch auf Einhaltung einer logischen Reihenfolge
hingewiesen:
Spannungsgesteuerte
Tiefpaß- und Hochpaßfilter beschneiden steilflankig
alles, was ober- oder unterhalb eines vorwählbaren Frequenzbeschneidungspunktes
liegt, wobei man diesen dann mittels aller möglichen Steuerspannungen
in der Tonhöhe, d. h. in der Frequenz, in der er wirksam ist,
auf- und abwärts stimmen kann. So ergeben sich unter der Einwirkung
von Konturgeneratoren beispielsweise gleitende Filterungen aller
Art, vergleichbar mit dem i-e-a-o-u- Effekt eines gesungenen Tones,
ferner Wa-Wa- Effekte oder die typischen Filter- Sweeps, hochstrapaziertes
Ausdrucksmittel erster Gehversuche auf dem weiten Feld elektronischer
Klangerzeugung. Da man den Frequenzbeschneidungspunkt eines Filters
durch Resonanz bis zur Rückkopplung, d. h. bis zum Selbstschwingen
hervorheben kann, wird ein Filter zum zusätzlichen Oszillator,
wobei unter dem Einfluß der Tastatur-Steuerspannung tönendes
Rauschen, z. B. Imitation menschlichen Pfeifens, melodiös und
in reiner Stimmung "gespielt" werden können.
Zu
den weiteren Steuerspannungsquellen, mit denen man Oszillatoren
in der Tonhöhe, Filter im Auf und Ab des Filterpunktes, Verstärker
in der Lautstärke eines Signals und Rechteck-Wellenformen in
der Oberwellenverteilung "fernsteuern" kann, gehören:
Das Saiten-Abgriff- Manual (Ribbon Control), das das Spiel wie mit
einer Violine durch Abgreifen auf einer Saite gestattet, ferner
Fußpedale, XY-Controller (Zwei-Ebenen- Handregler, wie Steuerknüppel
eines Flugzeuges), ferner eine elektronische Trommel, die sowohl
Trigger-Signale als auch Steuerspannungen in Abhängigkeit von
der Schlagstärke abgibt und die so allerlei Gags, wie rhythmisches
Zerhacken eines beliebigen Sound- Materials, ob vom Synthesizer
oder von außerhalb ermöglicht, gleichzeitig auch tieferes
und höheres Stimmen der Klänge, je nachdem wie fest man
mit den Fingern, mit Stöcken o. ä. trommelt.
Nach
dem Motto: Man nehme irgendetwas, das zwischen 0 und 10 V stattfindet
und biete es irgendeinem Element an, gibt es unausdenkbare Möglichkeiten
und keine Tabus.
Der
Sequencer
Ein
weiteres interessantes Zubehör ist der Sequencer, ein Reihen-
und Zeitfolgenschaltwerk mit 24 x 24 wählbaren Steuerspannungen,
die in allen möglichen, programmierbaren Folgen und Rhythmen,
in allen möglichen wechselnden Frequenzen ablaufen und je nach
Aufschaltung Tonkettenmuster, Filterungen, Lautstärkestufungen
usw. in unberechenbarer Vielzahl bewirken oder auch selbst beim
Ablauf in der Hörfrequenz zu Oszillatoren mit den absurdesten
Wellenformen werden können.
So
erschließt der Synthesizer einen neuen, ungeheuer vielseitigen
Raum der Phantasie-Entfaltung für den Musiker, den Komponisten,
für die Ausbildung, das Labor, das Studio. Für den forschenden
und suchenden Menschen im reizvollen Kräftespiel zwischen der
eigenen Vorstellungskraft und der unergründlichen Vielseitigkeit
des Systems, oder für jenen, der sich einfach durch willkürliches
Probieren überraschen läßt.
Das
Kunststoff-Zeitalter in der Weltgeschichte der Töne und Klänge
hat begonnen, in dem, wie in jeder Entwicklung, am Anfang der Mißbrauch
steht, die Imitation von bereits Dagewesenem bis mit dem neuen Stoff
auch die neue Form entsteht. Der Synthesizer ist kein Musikinstrument,
das auf Knopfdruck eine Vorstellung realisiert. Was bei der elektronischen
Orgel einst Ziel allen Wunschdenkens war, das fertige Musikinstrument
mit den fertigen Klängen, leicht zu bedienen und zu verstehen,
das wurde beim Synthesizer zum Tabu.
Sicherlich müssen zugunsten leichter und schneller Bedienbarkeit auf der Bühne Kompromisse mit Einschränkungen der Vielseitigkeit erkauft werden, und sicherlich werden im Zuge der Sucht nach neuen, musikalischen Ausdrucksmitteln "Quasi Synthesizer" mit ein paar vorgefertigten Klangfarben und Effekten den Markt in zunehmendem Maße beleben, in allen möglichen Varianten, wie wir sie bei Orgeln zwischen 100 DM und 100.000 DM schon zu unterscheiden vermögen. Der echte Synthesizer aber ist kein Musikinstrument in diesem Sinne, er ist vielmehr ein System der Entfesselung und des Sezierens, der operativen Auftrennung aller nur denkbaren Nervenpunkte am komplizierten Organismus eines Tones oder Schallereignisses, und ihrer Wiederzusammenfügung in beliebiger Gesetzlosigkeit. Je willkürlicher, je komplizierter, je unberechenbarer dieses System arbeitet oder bearbeitet werden kann, desto reizvoller und interessanter ist es. Zumindest für den, der das sucht, was bisher noch kein Musikinstrument zu bieten vermochte, den Vorstoß in einen unbegrenzten Raum von Möglichkeiten, in dem man fasziniert und resigniert zugleich die Hilfslosigkeit unserer Vorstellungskraft erkennen muß.
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