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Dieter Roggendorf
berichtet
Zero/Penelope
Fangen wir einfach bei Null an. Zero (später Penelope) hieß die Kneipe, in der ich Dirk Matten und Hajo Wiechers kennenlernte. Die Clique, mit der ich seinerzeit um die Häuser zog, hatte sich diese Kneipe als Basislager auserkoren. Gründe waren die gute verkehrstechnische Anbindung für die italienischen Momente im Leben (wir hatten gar kein Auto) und die Nähe zur Bonner Altstadt. Besonders gefielen uns aber die Musik, die Leute und die hervorragende Getränkeauswahl. Der Laden war immer gerappelt voll, so dass die umliegenden Bürgersteige und insbesondere der Parkplatz auf der anderen Straßenseite (Finanzamt Bonn-Innenstadt!) einfach mitgenutzt wurden. Sehr zum Leidwesen der Nachbarschaft, die sich mit allen Mitteln gegen die jungen, friedlichen Menschen wehrte. So goss die Pächterin des jugoslawischen Restaurants ab und an einen 10 Liter Eimer Wasser vom ersten Stock auf die Passanten. Eine absolute Unverschämtheit, schließlich dokumentierten diese ja bereits durch ihre äußere Erscheinung - schulterlange Haare, glasige Augen, modische Anspruchslosigkeit - ihre friedlichen Absichten.
Schon damals fielen mir merkwürdige Gestalten auf (kurze Haare,
schwarze Kleidung, gepflegte Erscheinung), die immer mit leeren
Händen hinter der Stahltür zur ehemaligen Kegelbahn verschwanden
und nach geraumer Zeit mit größeren Kartons das Lokal
verließen. Die gepflegte Erscheinung legte den Verdacht nahe,
dass es sich um Düsseldorfer handeln musste. Viel später
bestätigte sich dann dieser Verdacht.
Aufgrund meiner finanziellen Situation heuerte ich im Penelope als
Kellner an. Eine schöne, wenn auch anstrengende Zeit- man lernte
viele Mädchen kennen und Dirk Matten. Dirk und ich mochten
uns sofort leiden. Zwar hatten wir einen sehr unterschiedlichen
Musikgeschmack, aber zur Toleranz erzogen, war dies für uns
kein Hindernis. Viele Dinge mochten wir beide, gerne tranken wir
zusammen Ratzeputz oder die Cocktails "Sonnenaufgang in Seveso"
oder auch sehr beliebt "Beinebreit". Als Mitarbeiter des
Lokals erhielt ich einen Schlüssel für die Stahltür
(schließlich musste man ab und zu in den Bierkeller) und wusste
ab diesem Zeitpunkt, was sich hinter der Stahltür sonst noch
verbarg: das weltweit erste Fachgeschäft für elektronische
Musikinstrumente.
Obwohl der Inhaber des Lokals auf Lehramt studierte, sah er sich außerstande, seine Gäste zu erziehen. Penelope wurde sehr schnell zum Synonym für Rauschgifthandel. Mehrere Abmahnungen und Drohungen der Ordnungsbehörden, das Lokal zu schließen, zeigten schon bald Wirkung und führten zu einem folgenschweren Entschluss, der auf der folgenden Annahme beruhte: Leute, die Rauschgift rauchen, haben lange Haare (der Inhaber selbst rauchte zwar auch, aber mit Zigarettenspitze, außerdem hatte er kurze Haare). Die Lösung war also einfach: Leute mit langen Haaren kommen nicht mehr rein.
Es
dauerte gar nicht lange und Penelope war das Synonym für Schlägerkneipe.
Ein Wandel, der Dirk und mir einiges an Lebenserfahrung aufdrängte.
Die Eingangstür wurde durch eine zweite Tür verstärkt,
dazwischen wurde eine Garderobe eingerichtet, bewohnt von den neuen
Angestellten des Hauses: Nahkampf erprobt, beste Referenzen von
Karate-Schulen bzw. dem BBC (Bonner Box Club), gute Connections
zur Gerüstbaufirma Linkewitz, aber Gott sei Dank auf unserer
Seite.
Sowohl Dirk als auch ich haben uns in dieser Zeit eine blutige Nase
geholt, trotzdem erzählen wir noch heute gerne von Stäbchen-Jürgen,
Triller oder Rainer. Irgendwie sind uns diese Menschen alle ans
Herz gewachsen. Es waren Männer in der Blüte ihrer Kraft,
einem hohen Testesteron-Spiegel und einer niedrigen Reizschwelle.
Jürgen bewunderten wir für seine Fähigkeit, mit zwei
Knüppeln, die mit einer Kette verbunden waren (Nunchaku), ein
hinter seinem Rücken in die Luft geworfenes Geldstück
zu treffen. Anmerkung des Autors: ich glaube, er konnte das auch
mit verbundenen Augen. Außerdem konnte Jürgen Spagat.
Rainer hatte ein eher distanziertes Verhältnis zur asiatischen
Kampfkunst. Als Schwergewichtsboxer verließ er sich eher auf
seine Körperkraft, seine Entschlossenheit und sein diplomatisches
Geschick. Von Hause aus Rheinländer, trat er den Gästen
mit Geduld, Verständnis und Kontaktfreude entgegen (manchmal
trat er auch die Gäste). Durchaus rhetorisch begabt und immer
bemüht, Kundengefühle zu schonen, konnte er jeden Gast
überzeugen.
Rainer: "Isch möschte Sie bittn, dat Lokal zu verlassen!"
Gast: "Ich geh hier nicht weg."
Rainer: "Isch möschte Sie bittn, dat Lokal zu verlassen!"
Gast: "Du kriegst mich hier nicht raus!"
Rainer (sehr laut ): "Du jehst jetz eraus, isch schwör
et dir, Ehrenwort!"
Statt suggestiver Abschlussfrage folgte dann meist eine Links/Rechts-Kombination
gefolgt von einem harten Körpertreffer (bei den meisten Gästen
war die Leber der Schwachpunkt)
Nachdenklich wurde ich erst, als ich bereits Angst hatte, alleine auf die Straße zu gehen (man hatte auf einmal so viele merkwürdige Bekannte) und ich feststellen musste, dass ich Probleme im kognitiven Bereich bekam. Ich verstand die Gäste nicht mehr! So bestellte eine aufreizend gekleidete junge Frau (es war auch noch die Gattin eines zeitgleich anwesenden Rockerhäuptlings) bei mir einen Bätä Lemong. Ich war ratlos. Erst nachdem sie mir ärgerlich auf der Karte zeigte, was sie wollte, verstand ich: einen Bitter Lemon.
Auch bei Dirk stellte sich eine gewisse Unzufriedenheit mit der gesamten Situation ein. Liegestütze konnten nicht die Alternative sein. Dirk ist dann erst mal in die Franzstraße umgezogen (ist sogar in der Bonner Altstadt) und ich hab erst mal Abitur gemacht.
siehe
auch:
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